Wann ist grüner Strom wirklich grün?
20.07.2020, 12:56

Immer mehr Unternehmen, Kommunen, Staaten steigen auf grünen Strom um. Um nachzuweisen, dass mit Strom aus erneuerbaren Quellen gearbeitet wird, dienen Herkunftsnachweise. Für diese hat sich ein eigener Markt entwickelt. Die Preise sind im Zuge der Pandemie deutlich eingebrochen. „Für die Zukunft entsteht hier allerdings ein interessantes Marktsegment“, sagt Markus W. Voigt, CEO der aream Group.

 

„Wenn Strom aus der Steckdose kommt, ist ihm nicht anzusehen, wie und wo er produziert wurde“, sagt Voigt. Deshalb gibt es ein europäisches System für Herkunftsnachweise. „Für jede Megawattstunde Strom aus erneuerbaren Energiequellen wird ein sogenanntes GO für Guarantee of Origin erzeugt.“ Diese wurden in der Vergangenheit oft mit dem Strom direkt vermarktet. Seit einigen Jahren hat sich hier ein eigener Markt entwickelt – mit ganz eigenen Regeln. 

 

So wurden 2019 GOs für 626 TWh ausgestellt, ein Plus von rund fünf Prozent gegenüber 2018, so die Experten der auf die Marktbeobachtung Erneuerbarer Energien spezialisierten Becour AS aus Norwegen. „Waren diese GO früher nur Beiwerk, sind sie heute durchaus eine interessante Option in der Vermarktung“, sagt Voigt. Dabei sind die Preise nicht immer rational bestimmt, sollten aber in den kommenden Jahren durchaus deutlich zulegen. „Nicht jeder dieser Herkunftsnachweise ist den Käufern gleich viel wert“, so Voigt.

 

So erzielen etwa Herkunftsnachweise aus neuen Photovoltaik- und Windanlagen höhere Preise als etwa GOs von lang bestehenden Wasserkraftwerken. „Der Hintergrund ist dabei, dass die alten Werke keinen weiteren Beitrag zur CO₂-Reduzierung leisten“, sagt Voigt. Andere Nachfrager wiederum wollen keine GOs aus Biogasanlagen, weil dort möglicherweise Abfälle der Massentierhaltung zum Einsatz kommen. Und wiederum andere Firmen zahlen mehr für GOs, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Verbrauch stehen, oder für lokal erzeugten Strom.

 

„Insgesamt entsteht hier ein vielschichtiger und interessanter Markt“, sagt Voigt. Die Spanne der Preise reicht dabei von sieben Euro/MWh für in den Niederlanden lokal erzeugten Windstrom bis zu gerade einmal 0,10 Euro für Herkunftsnachweise in Spanien. „Insgesamt ist der Markt wegen der Pandemie deutlich in Mitleidenschaft gezogen“, so Voigt. „In Italien etwa fiel der Preis für ein GO von 1,65 Euro vor einem Jahr auf jetzt noch 0,20 Euro.“ Allerdings erholen sich die Preise gerade wieder, auch weil neue, grüne Produkte auf den Markt kommen. „Insofern beobachten wir genau, wann der richtige Zeitpunkt zum Verkauf der GO ist“, sagt Voigt.

 

In jedem Fall aber ist heute schon zu sehen, dass die Nachfrage nach Ökostrom aus zertifizierter Herkunft deutlich schneller steigt als das Angebot. „Zumindest in den kommenden zehn Jahren werden wir hier eine große Knappheit erleben, die die Preise stark nach oben schnellen lässt“, sagt Voigt. „Erst wenn die Energiewende tatsächlich vollzogen ist, wird der Preis für die Zertifikate wieder sinken.“ Das aber wird noch eine ganze Weile dauern.

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